BAG stärkt Arbeitnehmerrechte: Freistellung rechtfertigt keine Gehaltsstreichung

29.05.2025
29.05.2025
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Das Bundesarbeitsgericht hat in einer wegweisenden Entscheidung vom 12. Februar 2025 klargestellt: Arbeitgeber können freigestellten Mitarbeitern nicht die Gehaltszahlung verweigern, wenn diese sich während der Kündigungsfrist nicht aktiv um neue Stellen bemühen. Das Urteil stärkt die Position gekündigter Arbeitnehmer erheblich.

Unternehmensversuch scheitert vor höchster Arbeitsgerichtsinstanz

Der zugrunde liegende Fall illustriert eine problematische Praxis: Ein Arbeitgeber kündigte einem Angestellten nach vierjähriger Betriebszugehörigkeit ordentlich und stellte ihn unwiderruflich frei. Während der Freistellungsphase übersandte das Unternehmen 43 Stellenausschreibungen aus Jobportalen. Als sich der Gekündigte erst gegen Ende der Kündigungsfrist auf sieben Positionen bewarb, stoppte der Arbeitgeber die Gehaltszahlung für den letzten Monat.

Die Begründung des Unternehmens: Der Mitarbeiter hätte sich gemäß § 615 Satz 2 BGB fiktiven anderweitigen Verdienst anrechnen lassen müssen, da er die Jobsuche "böswillig unterlassen" habe. Diese Argumentation fand vor dem BAG keinen Anklang.

Rechtliche Grundsätze und Beschäftigungsanspruch

Das BAG betonte fundamentale arbeitsrechtliche Prinzipien: Auch während ordentlicher Kündigungsfristen bestehen sowohl der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers als auch die entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers fort. Eine unwiderrufliche Freistellung stellt eine einseitige Entscheidung des Unternehmens dar, auf die Arbeitsleistung zu verzichten.

"Verletzt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht durch eine einseitige Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist {...}, wäre es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242BGB) nicht zu vereinbaren, vom Arbeitnehmer die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit schon während des unstreitig noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verlangen und damit dem Arbeitgeber, der sich seiner Beschäftigungspflicht entzieht, auch noch zu einer Befreiung von seiner Vergütungspflicht zu verhelfen", formulierte das Gericht unmissverständlich.

Wirtschaftsrisiko liegt beim Arbeitgeber

Die Richter stellten klar: Wer sich für eine Freistellung entscheidet, trifft eine wirtschaftliche Entscheidung und muss deren Konsequenzen tragen. Eine Anrechnung fiktiver Einkünfte nach § 615 Satz 2 BGB komme nur bei vertragswidrigem Verhalten in Betracht, nicht jedoch bei rechtmäßiger Inanspruchnahme vertraglicher Rechte.

PwC-Arbeitsrechtsexpertin Nicole Elert ordnet das Urteil als wichtige Klarstellung ein: Das BAG hätte deutlich gemacht, dass Arbeitgeber nicht einseitig ihre Beschäftigungspflicht verletzen und dann noch eine Befreiung von der Vergütungspflicht erwarten können.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Unternehmenspraxis. Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen bleiben zwar Standard, doch die damit verbundenen Lohnkosten können nicht durch konstruierte Jobsuche-Pflichten reduziert werden. Unternehmen müssen kalkulieren, dass unwiderrufliche Freistellungen vollständige Gehaltsfortzahlungen bis zum Vertragsende bedeuten.

Die Entscheidung schützt insbesondere Arbeitnehmer vor einem Dilemma: Sie müssen nicht befürchten, dass mangelnde Jobsuche während bestehender Vertragsverhältnisse zu Gehaltseinbußen führt. Das BAG hat damit die Grenze zwischen zulässigen Arbeitgeberforderungen und unzumutbaren Belastungen für gekündigte Mitarbeiter neu definiert.