DAX-Konzerne: Ernüchternde Bilanz bei Geschlechterparität trotz Regulierungsdruck

02.06.2025
02.06.2025
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Eine EY-Parthenon-Analyse der neuen EU-Nachhaltigkeitsberichte enthüllt strukturelle Defizite bei Vergütung und Karriereförderung in Deutschlands Spitzenunternehmen.

Systematische Entlohungsdisparitäten trotz Compliance-Vorgaben

Die erstmalige Veröffentlichung von Gleichstellungsdaten im Rahmen der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) offenbart erhebliche Geschlechterungleichheiten in den DAX-40-Konzernen. EY-Parthenons Analyse von 33 Unternehmen zeigt: In 29 Fällen übertrifft die männliche Durchschnittsvergütung die weibliche. Während der Gesamtdurchschnitt mit 13,9 Prozent leicht unter dem bundesweiten Gender Pay Gap von 16 Prozent liegt, erreichen extreme Ausreißer wie die Deutsche Bank (38,8 Prozent) und Commerzbank (30 Prozent) alarmierende Dimensionen.

Strukturelle Unterrepräsentation in Führungsebenen

Die Analyse deckt systematische Aufstiegsbarrieren auf: In 64,5 Prozent der Konzerne liegt der Frauenanteil in Führungspositionen deutlich unter dem Gesamtbelegschaftsanteil. Mit 28,5 Prozent in der Führungsebene gegenüber 33,1 Prozent in der Gesamtbelegschaft manifestiert sich eine "gläserne Decke". Kein einziges Unternehmen erreicht Geschlechterparität in den Chefetagen – Adidas führt mit 40,7 Prozent, während Rheinmetall mit nur 12 Prozent das Schlusslicht bildet.

Rückläufige Entwicklung trotz Expansionskurses

Paradoxerweise verschlechtert sich die Geschlechterverteilung trotz Unternehmenswachstums: Der Frauenanteil sank von 34,1 Prozent (2021) auf 33,1 Prozent (2024). Bei 26 von 33 Unternehmen verringerte sich die weibliche Repräsentation. BMW exemplifiziert diese Diskrepanz: 23 Prozent Belegschaftswachstum bei gleichzeitig 1,2 Prozent Rückgang des Frauenanteils. Ähnliche Muster zeigen Airbus und SAP.

Branchenspezifische Polarisierung

Die Sektorenanalyse verdeutlicht extreme Unterschiede: Während Gesundheitsunternehmen wie Fresenius Medical Care über 70 Prozent Frauenanteil verzeichnen, stagniert die Industrie bei etwa 21 Prozent. Heidelberg Materials markiert mit 16 Prozent das untere Extrem. Diese Polarisierung reflektiert traditionelle Berufsfeldpräferenzen und Ausbildungsstrukturen.

Unzureichende Förderarchitekturen

Janine Bartsch, Senior Manager bei EY-Parthenon, identifiziert strukturelle Defizite: "Wir sehen, dass die Strukturen in vielen Dax-Konzernen offenbar nicht ausreichend darauf ausgerichtet sind, Frauen den Weg in eine Führungsposition zu erleichtern. "Als Haupthindernisse gelten fehlende Netzwerke, unbewusste Vorurteile und mangelnde Förderung durch die Unternehmenskultur.

Positive Ausnahmen als Orientierungshilfe

Vier Unternehmen durchbrechen den negativen Trend: Daimler Truck erzielt einen umgekehrten Gender Pay Gap von 15 Prozent zugunsten der Frauen, gefolgt von BMW, DHL Group und Vonovia. Diese Beispiele demonstrieren, dass strukturelle Veränderungen möglich sind, bleiben jedoch Einzelfälle in einem ansonsten ernüchternden Gesamtbild.

Strategischer Handlungsbedarf

Bartschs Fazit ist eindeutig: "Die bisherigen Programme zur Stärkung der Attraktivität für weibliche Beschäftigte haben ihre Wirkung offenbar in vielen Fällen weitgehend verfehlt." Die CSRD-Transparenzpflicht schafft erstmals eine solide Datenbasis für gezielte Interventionen – ob die Konzerne diese Chance nutzen, wird über die zukünftige Gleichstellungsentwicklung in Deutschlands Wirtschaftselite entscheiden.