Digitale Gesundheitskompetenz: Teenager entwickeln kritisches Bewusstsein für Desinformation

Aktuelle Sinus-Erhebung offenbart: Junge Zielgruppen bewerten institutionelle Quellen höher als Influencer-Content – KI-Akzeptanz steigt kontinuierlich.
Vertrauenshierarchien bei Gesundheitsinformationen
Die Sinus-Jugendstudie 2024/2025 dokumentiert eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Nutzungsverhalten und Vertrauensbildung bei 14- bis 17-Jährigen. Obwohl Video-Plattformen wie YouTube sowie Social-Media-Kanäle Instagram und TikTok als primäre Informationskanäle für Gesundheitsthemen fungieren, attestieren ihnen nur 43 Prozent der Befragten Nützlichkeit.
Institutionelle Anbieter dominieren hingegen die Vertrauensrankings: Krankenkassen-Informationen bewerten 78 Prozent als hilfreich, Behörden wie das Robert Koch-Institut erreichen 75 Prozent Zustimmung. Gesundheitsportale wie netdoktor oder gesundheit.de erzielen 71 Prozent, Wikipedia-Artikel 67 Prozent und etablierte Medien 61 Prozent Vertrauen.
Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer und Studienauftraggeber, konstatiert einen Bedeutungsrückgang von Online-Gesundheitsinformationen seit dem Pandemie-Ende. Dennoch verzeichnen Krankenkassen-Websites Zuwächse: von 13 Prozent (2022) auf 18 Prozent Nutzungsanteil.
Künstliche Intelligenz: Hohe Bekanntheit bei moderater Nutzung
Die KI-Kompetenz der Zielgruppe zeigt signifikante Entwicklungen: Lediglich 2 Prozent bekunden völlige Unkenntnis des Begriffs (Vorjahr: 1,5 Prozent). Dagegen können 71 Prozent KI definieren – ein Anstieg um 7 Prozentpunkte gegenüber 2023 (64 Prozent).
Praktische Anwendung bleibt jedoch begrenzt: 32 Prozent nutzen KI gelegentlich, davon 9 Prozent täglich und 23 Prozent regelmäßig. Diese Werte markieren deutliche Steigerungen gegenüber 2023 (5 bzw. 14 Prozent). Sporadische Nutzung geben 24 Prozent an (Vorjahr: 30 Prozent), während 9 Prozent KI noch nie verwendeten (2023: 5 Prozent).
Bedrohungswahrnehmungen bleiben stabil niedrig: Nur 4 Prozent empfinden KI als große Gefahr (unverändert), 17 Prozent als eher bedrohlich (2023: 19 Prozent). Die Mehrheit (45 Prozent) verhält sich neutral, während 31 Prozent KI als wenig oder gar nicht bedrohlich einstufen.
Berufliche Perspektiven bewerten 69 Prozent als ungefährdet durch KI-Entwicklungen (2023: 73 Prozent), jedoch sehen 22 Prozent Risiken (Vorjahr: 17 Prozent) – eine bemerkenswerte Verschlechterung der Einschätzung.
Cybermobbing: Stagnation auf hohem Niveau
Digitale Gewalt-Erfahrungen stabilisieren sich nach jahrelangen Anstiegen: 62 Prozent berichteten 2024 von Cybermobbing-Kontakt (2023: 61 Prozent, 2021: 51 Prozent). Zeugenschaft erlebten 53 Prozent (Vorjahr: 52 Prozent), Viktimisierung 16 Prozent (konstant seit 2022).
Täterschaft gestehen hingegen nur 5 Prozent ein (2023: 4 Prozent) – eine statistisch auffällige Diskrepanz zwischen Opfer- und Täterangaben.
WhatsApp dominiert weiterhin als Cybermobbing-Schauplatz mit 50 Prozent Erfahrungsanteil (2023: 52 Prozent). TikTok festigt Position zwei mit sprunghaftem Anstieg auf 43 Prozent (Vorjahr: 34 Prozent), Instagram folgt mit 38 Prozent (2023: 33 Prozent). Snapchat erreicht 27 Prozent (2023: 21 Prozent).
Facebook verzeichnet dramatischen Relevanzverlust: Nur noch 13 Prozent Mobbing-Erfahrungen gegenüber 21 Prozent im Vorjahr. Diese Entwicklung reflektiert die generelle Abwendung Jugendlicher von der Plattform.
Präventionsansätze und Medienkompetenz
Straub betont die Notwendigkeit verstärkter Medienkompetenz-Förderung zur Fakten-Verifizierung. Die Barmer implementiert das Präventionsprojekt "Durchblickt!" für Schüler, Lehrkräfte und Eltern als Antwort auf persistierende Desinformationsrisiken.
Beleidigungen bleiben mit 74 Prozent die häufigste Cybermobbing-Form (konstant seit 2021), gefolgt von Gerüchteverbreitung (52 Prozent) und sozialer Ausgrenzung (33 Prozent). Diese Patterns verdeutlichen die Notwendigkeit systematischer Präventionsstrategien im digitalen Bildungsbereich.