Private Equity erobert Wirtschaftsprüfung: Baker Tilly folgt Branchentrend

09.06.2025
09.06.2025
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Die systematische Kapitalmarktöffnung der deutschen WP-Branche nimmt Fahrt auf, während etablierte Häuser zwischen Wachstumsambitionen und regulatorischen Beschränkungen navigieren.

Strategische Sondierung mit Investment-Banking-Unterstützung

Baker Tilly Deutschland exploriert eine mögliche Private-Equity-Partnerschaft und hat nach FINANCE-Informationen Rothschild & Co als Beratungsmandat engagiert. Diese Entwicklung folgt unmittelbar auf Grant Thorntons M&A-Prozess, der von Perella Weinberg Partners koordiniert wird. Baker Tilly kommuniziert zurückhaltend: "Wir beobachten stets alle Entwicklungen im Markt genau und prüfen strategische Optionen zur Weiterentwicklung unseres Unternehmens."

Internationale Präzedenzfälle als Strukturvorlage

Beide Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verfügen über internationale Private-Equity-Erfahrungen, die als Blaupause für deutsche Transaktionen dienen könnten. Grant Thornton USA und UK befinden sich bereits mehrheitlich in Finanzinvestorenhand (New Mountain Capital bzw. Cinven), ergänzt durch Gesellschaften in Irland, VAE, Kaimaninseln und den Niederlanden. Baker Tilly USA strukturierte im Februar eine Milliarden-Dollar-Transaktion mit Hellman & Friedman und Valeas Capital Partners durch Abspaltung der Consulting-Einheit vom Wirtschaftsprüfungsgeschäft.

Regulatorische Strukturierungsherausforderungen

Das deutsche Fremdbesitzverbot erfordert kreative Transaktionsarchitekturen. Baker Tillys duale Struktur aus "Audit & Advisory" sowie "Recht und Steuern" in separaten Gesellschaften ermöglicht differenzierte Beteiligungsmodelle. Über wechselseitige Beteiligungen oder Holding-Strukturen lassen sich Private-Equity-Investments auch unter deutschen Regulierungsvorschriften realisieren.

Finanzielle Performance als Investitionsanreiz

Baker Tillys Wachstumsdynamik macht das Unternehmen für Finanzinvestoren attraktiv: 14 Prozent Umsatzsteigerung 2024 bei ähnlichen Vorjahreswerten. Besonders das höhermargige Beratungsgeschäft – rund 50 Prozent des Gesamtumsatzes – wuchs um über 17 Prozent. Diese Performance-Kennzahlen sind entscheidend für Private-Equity-Bewertungsmodelle und Wachstumsfinanzierungsstrategien.

Kompetitive Marktposition im Next-Six-Segment

Baker Tilly und Grant Thornton trennt lediglich eine Million Euro Umsatz, was den Konkurrenzdruck im Next-Six-Ranking verdeutlicht. Frisches Fremdkapital könnte Baker Tilly ermöglichen, den Abstand zum Verfolger zu vergrößern oder sogar Rangverbesserungen zu erzielen. Diese strategische Positionierung erfordert jedoch deutlich überproportionales Wachstum gegenüber der aktuellen Entwicklung.

Branchenweite Kapitalmarktöffnung

Die Private-Equity-Sondierung fügt sich in einen systematischen Branchentrend ein: WTS holte EQT als Gesellschafter, PKF WMS kooperiert mit Ufenau Capital Partners. Marktbeobachter prognostizieren weitere Transaktionen in den kommenden Monaten, da mehrere Finanzinvestoren das Segment aktiv nach Investitionsopportunitäten durchforsten.

Strategische Offenheit als Wettbewerbsvorteil

Baker Tillys grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber Private-Equity-Beteiligungen positioniert das Unternehmen vorteilhaft im Markt. Die Charakterisierung von Private Equity als eine von vielen Möglichkeiten, um Innovation und Wachstum zu finanzieren signalisiert strategische Flexibilität und könnte Verhandlungspositionen stärken.

Die Entwicklung illustriert die fundamentale Transformation der deutschen Wirtschaftsprüfungslandschaft, wo traditionelle Partnerschaftsstrukturen zunehmend durch kapitalmarktorientierte Wachstumsmodelle ergänzt werden – ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Implikationen für die gesamte Branche.