IT-Transformationskrise im Bankensektor: Milliardenschwere Projekte ohne Erfolgsgarantie

10.06.2025
10.06.2025
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Deutsche Finanzinstitute kämpfen mit verzögerten Digitalisierungsvorhaben und explodierenden Technologiekosten, während regulatorische Anforderungen und KI-Integration den Druck weiter erhöhen.

Systematisches Projektversagen trotz Milliardeninvestitionen

Der deutsche Bankensektor erlebt eine Welle gescheiterter IT-Großprojekte. BayernLB und Helaba exemplifizieren diese Entwicklung: Beide Institute mussten ihre seit 2021 laufenden Transformationsprojekte "Kopernikus" bzw. "Atlas" zeitlich überarbeiten. Bei der BayernLB verschärfte sich die Situation durch den überraschenden Abgang von COO Markus Wiegelmann, der eigens für die IT-Koordination bestellt worden war. Die Projektleitung für "Kopernikus" bleibt ungeklärt, während ursprünglich für 2026 geplante Ziele auf 2027-2029 verschoben wurden.

Kostenspirale ohne Effizienzgewinn

Die Finanzbranche investiert massiv in Technologie, ohne proportionale Erfolge zu erzielen. LBBW führt mit über 500 Millionen Euro jährlich vor BayernLB und Helaba (jeweils 300+ Millionen Euro). Bei Großbanken erreichen die Ausgaben dramatische Dimensionen: Deutsche Bank (3,6 Milliarden Euro), UBS (2,4 Milliarden Euro nach 27 Prozent Steigerung) und Commerzbank (666 Millionen Euro, +20 Prozent). Diese Zahlen reflektieren sowohl operative Kosten als auch Investitionen in gescheiterte oder verzögerte Projekte.

Regulatorischer Dauerdruck als Kostentreiber

Aufsichtsrechtsspezialistin Nasim Jenkouk von RSM Ebner Stolz identifiziert einen "Dauerimplementierungsprozess" durch kontinuierlich verschärfte Regulierung. Nach BAIT und DORA folgen EU-KI-Verordnung und Financial Data Access-Regulierung. Selbst scheinbar kleine Anforderungen wie Echtzeitüberweisungen können milliardenschwere IT-Projekte auslösen. Markus Bender von Accenture charakterisiert IT als "Produktionsstraße der Bank" - eine kritische Infrastruktur ohne Alternative.

KI-Integration als Effizienzversprechen

Künstliche Intelligenz etabliert sich als Lösungsansatz für strukturelle Probleme. In Betrugs- und Geldwäscheprävention nutzen bereits 28 von 49 Payment-Anbietern KI-Systeme. Unicredit demonstriert Potenziale: Kreditvergabezeit reduzierte sich von über einem Tag auf 25 Minuten. Benedikt Höck von KPMG betont jedoch die Voraussetzung eines "soliden Datenfundaments" - eine Herausforderung für Institute mit veralteten Systemlandschaften.

Cloud-Migration als strategische Notwendigkeit

Nur 25 Prozent der Banken nutzen unternehmensweite Cloud-Services, obwohl 70 Prozent höhere KI-Budgets planen. Unicredit unterzeichnete eine zehnjährige Kooperation mit Google Cloud zur Migration "großer Teile der Anwendungslandschaft". Diese schrittweise Transformation in 13 Märkten erfordert zusätzliche Investitionen jenseits der bereits geplanten 2,5 Milliarden Euro bis 2027.

Outsourcing-Markt zwischen Chance und Regulierungsrisiko

Der IT-Outsourcing-Markt gewinnt an Dynamik: Accenture akquirierte 2022 das österreichische ARZ für 50 Millionen Euro und plant eine Expansion auf 1.000 Mitarbeiter. Dennoch bleibt der Markt durch hohe Anforderungen, begrenzte Anbieterauswahl und anstehende EU-Regulierung schwierig. Deutsche Institute mussten bis April Daten für das Bafin-Informationsregister über IT-Auslagerungen bereitstellen - ein Vorbote verschärfter Kontrollen.

Strategische Neuausrichtung als Überlebensfrage

Die Branche steht vor einer fundamentalen Entscheidung: Fortsetzung kostspieliger Eigenentwicklungen oder Hinwendung zu standardisierten, ausgelagerten Lösungen. Unicredit-Chef Andrea Orcel formuliert das Dilemma: "Bezogen auf Technologie und Daten ist es wichtig, in die richtige Initiative und zu den niedrigsten Stückkosten zu investieren." Die bisherige Bilanz spricht jedoch für systematisches Versagen bei der Umsetzung dieser Maxime.