Das Bundesfinanzministerium präzisiert die praktische Anwendung von Wachstumschancengesetz, BEG IV und JStG 2024 durch umfassende UStAE-Modifikationen.
Mit dem koordinierten Ländererlass III C 2 - S7295/00005/003/080 vom 8. Juli 2025 implementiert das BMF die verwaltungsseitige Umsetzung dreier bedeutender Gesetzespakete. Das Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024, das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vom 23. Oktober 2024 und das Jahressteuergesetz 2024 vom 2. Dezember 2024 erfordern substanzielle Anpassungen der Verwaltungspraxis.
Die Befreiung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen erfährt durch das Wachstumschancengesetz eine Verdopplung des Schwellenwerts von 1.000 auf 2.000 Euro nach § 18 Absatz 2 Satz 3 UStG. Parallel erhöht das BEG IV die Grenze für monatliche Voranmeldungspflicht von 7.500 auf 9.000 Euro gemäß § 18 Absatz 2 Satz 2 UStG. Diese Entlastungsmaßnahmen reduzieren den Verwaltungsaufwand für kleinere Unternehmen erheblich und schaffen größere Handlungsspielräume bei der Liquiditätsplanung.
Das BEG IV verkürzt die Aufbewahrungsfrist für Rechnungen nach § 14b Absatz 1 UStG von zehn auf acht Jahre. Diese Reduzierung gilt für alle Rechnungen, deren Aufbewahrungsfrist am 31. Dezember 2024 noch nicht abgelaufen war. Praktisch bedeutet dies: Rechnungen vor dem 1. Januar 2017 können grundsätzlich vernichtet werden. Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierinstitute profitieren von dieser Regelung erst ab 1. Januar 2026.
Wichtige Ausnahme: Bei Grundstücksgeschäften mit Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG bleibt die verlängerte Aufbewahrungspflicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für das letzte Jahr des zehnjährigen Berichtigungszeitraums bestehen.
Das JStG 2024 schließt eine bedeutende Regelungslücke im Gutschriftenverfahren. Die Neufassung von § 14c Absatz 2 UStG erfasst nun explizit Gutschriften an Nichtunternehmer oder Unternehmer ohne tatsächliche Leistungserbringung. Die Verwaltung konkretisiert: Wer einer vereinbarungsgemäß erstellten Gutschrift mit Steuerausweis nicht unverzüglich widerspricht, obwohl er nicht unternehmerisch tätig ist oder keine Leistung erbracht hat, schuldet die ausgewiesene Steuer.
Das wegweisende BFH-Urteil vom 27. November 2019 (V R 23/19) verliert für Sachverhalte ab 6. Dezember 2024 seine Anwendbarkeit. Diese Klarstellung eliminiert bisherige Rechtsunsicherheiten bei der steuerlichen Behandlung von Gutschriften ohne zugrundeliegende Unternehmerleistung.
Das BEG IV hebt zusätzlich den Grenzbetrag in § 25a Absatz 4 Satz 2 UStG von 500 auf 750 Euro an. Ferner erfolgten redaktionelle Anpassungen bei der elektronischen Erklärungsübermittlung entsprechend der AO-Formulierung.
Steuerberater sollten Mandanten über die verkürzten Aufbewahrungsfristen informieren und entsprechende Archivierungsstrategien entwickeln. Die neuen Schwellenwerte ermöglichen Verfahrensoptimierungen, erfordern jedoch Anpassungen bestehender Compliance-Systeme. Bei Gutschriftenverfahren ist erhöhte Vorsicht geboten: Die erweiterte Anwendung von § 14c Absatz 2 UStG schafft neue Haftungsrisiken, die durch präzise Vertragsgestaltung minimiert werden sollten.