Vonovia-Hauptversammlung: Institutionelle Investoren kritisieren Corporate Governance

03.06.2025
03.06.2025
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Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia sieht sich auf seiner Hauptversammlung massiver Kritik von Großaktionären gegenüber. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS und die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment monieren fundamental die Governance-Praktiken des DAX-Unternehmens und stellen zentrale Aufsichtsratsentscheidungen in Frage.

Strategische Fehlplanung beim Führungswechsel

Im Zentrum der Kritik steht das Timing des angekündigten CEO-Wechsels von Rolf Buch zu Ex-SAP-Manager Luka Mucic. DWS-Fondsmanager Hendrik Schmidt bemängelt die parallelen Mandatsenden von Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzender Clara Streit als strategische Fehlplanung. "Der Aufsichtsrat hätte sich hier Optionen offenhalten müssen", kritisiert Schmidt die simultanen Amtszeitenden. Diese Konstellation beraubt das Unternehmen wichtiger Kontinuität in einer kritischen Transformationsphase. Obwohl Buchs Vertrag ursprünglich bis 2027 lief, verlässt er bereits zum Jahresende – eine Entscheidung, die institutionelle Investoren als suboptimal bewerten.

Vergütungskontroverse eskaliert

Besonders brisant gestaltet sich die Auseinandersetzung um den Vergütungsbericht. Die DWS verweigert die Zustimmung mit der Begründung, dass das zugrunde liegende Vergütungssystem 2024 von der Hauptversammlung mit nur 40,41 Prozent deutlich abgelehnt wurde. "Mit welcher Legitimation hat der Aufsichtsrat eine Vergütung für den Vorstand festgelegt?", fragt Schmidt und stellt damit die rechtliche Basis der Entscheidung in Frage. Auch der einflussreiche US-Stimmrechtsberater Glass Lewis empfiehlt die Ablehnung des Vergütungsberichts. Die Kritik: Unzureichende Reaktion auf Aktionärsbeschwerden und mangelnde Sensibilität bei der Bonus-Festlegung trotz großer Unzufriedenheit unter den Anteilseignern.

Strukturelle Finanzprobleme persistieren

Deka Investment-Experte Andreas Thomae fokussiert auf die anhaltenden Verschuldungsprobleme des Konzerns. Mit 38,6 Milliarden Euro Schulden und einem Loan-to-Value-Verhältnis von 47,7 Prozent verfehlt Vonovia weiterhin die selbst gesteckte 45-Prozent-Zielmarke. Diese Finanzierungsherausforderung wiegt in einem Umfeld steigender Kapitalzinsen besonders schwer, da teure Refinanzierungen die Profitabilität belasten. Thomae konstatiert nüchtern: "Vonovia hat ein weiteres schwieriges Jahr hinter sich."

Aufsichtsrats-Unabhängigkeit in der Kritik

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Beide Fondsgesellschaften kritisieren, dass Florian Funck nach fast elf Jahren Zugehörigkeit den Prüfungsausschuss leitet, obwohl er nicht mehr als unabhängig gilt. Diese Konstellation widerspricht modernen Corporate-Governance-Standards, die unabhängige Kontrollfunktionen fordern. Die DWS kündigt daher die Verweigerung der Aufsichtsrats-Entlastung an, während Deka Investment ähnliche Bedenken äußert. Diese koordinierte Kritik institutioneller Investoren signalisiert fundamentale Governance-Probleme.

CEO-Nachfolge und Branchenexpertise

Während Luka Mucics Qualifikationen grundsätzlich gewürdigt werden, bemängelt die DWS seine fehlende Immobilienerfahrung. Diese Kompetenzlücke könnte in einer komplexen Marktphase problematisch werden, zumal der Immobiliensektor spezifische Branchenkenntnisse erfordert. Gleichzeitig würdigt Deka Investment Rolf Buchs Leistungen und bedauert seinen vorzeitigen Abgang: "Sie, Herr Buch, werden Ende des Jahres bei Vonovia ausscheiden, was wir bedauern, denn wir hätten uns gewünscht, dass Sie die von Ihnen gerade beschlossene Strategie 2028 noch selber umsetzen können."

Marktausblick trotz Herausforderungen

Trotz der Kritik zeigt Vonovia erste Stabilisierungszeichen. Nach einem Nettoverlust von 962 Millionen Euro – deutlich weniger als die 6 Milliarden Euro im Vorjahr – schlägt der Vorstand eine erhöhte Dividende von 1,22 Euro vor. Buch prognostiziert optimistisch: "Jetzt ist wieder Zeit für Wachstum." Die Hauptversammlung verdeutlicht jedoch, dass institutionelle Investoren verstärkte Governance-Reformen und strategische Klarheit fordern, bevor sie Vonovias Erholungskurs vollständig mittragen.