Der Bundesfinanzhof stärkt das Geheimhaltungsinteresse bei anonymen Anzeigen gegenüber Auskunftsansprüchen der betroffenen Steuerpflichtigen. Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen schaffen keine weitergehenden Einsichtsrechte.
In einem wegweisenden Urteil vom 15. Juli 2025 definierte der IX. Senat die Grenzen steuerlicher Transparenz neu. Eine Gastwirtin hatte nach einer anlasslosen Kassennachschau aufgrund anonymer Hinweise versucht, Einblick in die entsprechende Anzeige zu erhalten. Das Finanzamt hatte die Kassen-Nachschau nach § 146b AO durchgeführt, ohne steuerstrafrechtliche Verstöße festzustellen. Die Steuerpflichtige beantragte daraufhin sowohl Akteneinsicht als auch datenschutzrechtliche Auskunft nach Artikel 15 DSGVO, um Rückschlüsse auf den Anzeigeerstatter ziehen zu können.
Der BFH verwarf beide Ansätze systematisch. Bei der klassischen Akteneinsicht überwögen regelmäßig die Geheimhaltungsinteressen des Anzeigeerstatters und der Finanzbehörde. Nur bei unberechtigter strafrechtlicher Verfolgung könnte eine andere Bewertung erfolgen. Bezüglich des DSGVO-Auskunftsanspruchs stellte das Gericht klar: Obwohl anonyme Anzeigen personenbezogene Daten enthalten, greift die Beschränkung nach § 32c Absatz 1 Nummer 1 AO. Die Preisgabe könnte die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung gefährden.
Die Entscheidung reflektiert die Bedeutung anonymer Hinweise für die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Der Identitätsschutz von Hinweisgebern verhindert zusätzlich eine Auskunftserteilung, da andernfalls das gesamte System gefährdet wäre.
Für Professional Services entstehen durch diese Rechtsprechung wichtige Planungssicherheiten. Mandanten können nicht über datenschutzrechtliche Umwege an Informationen über anonyme Steuerhinweise gelangen. Gleichzeitig sollten Berater ihre Mandanten über die begrenzten Rechtsmöglichkeiten bei anonymen Anzeigen aufklären und präventive Compliance-Maßnahmen empfehlen, um entsprechende Situationen zu vermeiden.