Karriereoption Rechtswissenschaft: Alternative Laufbahnperspektiven für Juristen im akademischen Sektor

Die wissenschaftliche Karriere im juristischen Bereich bleibt ein oftmals unterschätzter Pfad – dabei bietet der akademische Sektor attraktive Entwicklungs- und Spezialisierungschancen jenseits des klassischen Kanzlei- oder Unternehmensumfelds.
Frühzeitige Weichenstellung für den Weg in die Forschung
"Die Universität bereitet Jurastudierende nicht auf eine Tätigkeit in der Wissenschaft vor", konstatiert Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp, Leiter der Graduiertenschule der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Köln. Diese strukturelle Herausforderung erfordert eine frühzeitige und eigeninitiative Orientierung für ambitionierte Juristen mit wissenschaftlichen Ambitionen.
Das primär praxisorientierte Curriculum des regulären Jurastudiums fokussiert sich auf Fallbearbeitung und Rechtsanwendung, während der wissenschaftlich-theoretische Zugang zum Recht häufig zu kurz kommt. Haferkamp, selbst Direktor des Instituts für Neuere Privatrechtsgeschichte, Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte, initiiert daher gezielt ergänzende Angebote wie seine "Montagsrunde", in der Doktoranden, Habilitanden und interessierte Studierende fachliche Diskurse führen und Vorträge präsentieren.
Strategische Ausgangspunkte für den Einstieg
Juniorprofessor Dr. Fabian Michl begann seinen Weg in die Rechtswissenschaft bereits während des Studiums mit einer Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an verschiedenen Lehrstühlen der Universität Regensburg. "Ich fand es spannend, zu sehen, wie man sich mit wissenschaftlichen Methoden mit dem Recht auseinandersetzen kann", reflektiert der heute 36-Jährige. Sein wissenschaftliches Interesse intensivierte sich paradoxerweise während des praxisorientierten Referendariats: "Die meisten praktischen Tätigkeiten im Referendariat ließen mir die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Recht noch attraktiver erscheinen."
Für die zeitliche Abfolge der akademischen Qualifikationsschritte empfiehlt Haferkamp, die Promotion vor dem Referendariat abzuschließen: "Wenn man einmal aus dem Wissenschaftsbereich raus ist, ist es nach dem praxisorientierten Referendariat nicht so leicht, wieder den Kontakt zur Universität aufzubauen." Sowohl für die Promotion als auch für die spätere Habilitation – den traditionellen Qualifikationsweg zur Professur in Deutschland – hält er den Aufbau eines kollegialen Netzwerks für essenziell.
Strategische Netzwerk- und Publikationsaktivitäten
Die Signifikanz systematischer Vernetzung auf dem Weg zur Professur kann nicht überschätzt werden. "Vernetzung hilft nicht nur beim Bekanntwerden, auch der Nachwuchs hilft sich untereinander, zum Beispiel um Vorträge bei anderen Universitäten oder auf Tagungen zu halten", erläutert Haferkamp. Ebenso wichtig: die Publikation von Aufsätzen in renommierten Fachzeitschriften, die zur Sichtbarkeit in der Scientific Community beiträgt und Bewerbungschancen erhöht.
Michls Karriereverlauf illustriert diese Strategie: Nach seiner Promotion in Regensburg folgte eine Postdoc-Position an der Universität Münster, seit 2021 hat er eine Juniorprofessur an der Juristenfakultät der Universität Leipzig inne. Als Tenure-Track-Professor hat er bei Erfüllung definierter Leistungskriterien eine Zusage für eine dauerhafte Professur – dennoch entschied er sich für eine zusätzliche Habilitation: "Die Habilitation hat in der Rechtswissenschaft immer noch einen großen Wert."
Alternative Institutionen für den wissenschaftlichen Einstieg
Jenseits der universitären Strukturen bieten insbesondere die Max-Planck-Institute exzellente Einstiegsmöglichkeiten in die rechtswissenschaftliche Forschung. Für Juristen relevante Institute befinden sich unter anderem in Heidelberg (ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht), Hamburg (ausländisches und internationales Privatrecht) und Frankfurt am Main (Rechtsgeschichte und Rechtstheorie).
"Wir bilden Nachwuchs für das Universitätssystem aus", erklärt Prof. Dr. Marietta Auer, Direktorin am Frankfurter Institut. Die Institute rekrutieren sowohl studentische Hilfskräfte als auch Doktoranden. Ein wesentlicher Vorteil: "Bei uns brauchen die Doktoranden sich nicht um Lehrveranstaltungen oder Assistenztätigkeiten für den Lehrstuhl zu kümmern, sondern können sich ganz auf ihre Doktorarbeit konzentrieren", so Auer. Die formale Abschlussprüfung erfolgt dann an einer kooperierenden Universität.
Erfolgsfaktoren für die wissenschaftliche Karriere
Neben der fachlichen Exzellenz und methodischen Kompetenz identifiziert Michl ein breites Spektrum an Schlüsselqualifikationen für eine erfolgreiche Hochschullehrerlaufbahn:
- Kommunikationsfähigkeit im Umgang mit Studierenden, Promovierenden, Kollegen und der Verwaltung
- Vermittlungskompetenz in der Wissenschaftskommunikation, um komplexe Fachinhalte verständlich zu erklären
- Akquisitionsfähigkeiten zur Einwerbung von Forschungsmitteln
- Führungskompetenzen für die Teamkoordination
"Im Grunde handelt man als Hochschullehrer oft wie ein kleiner Wissenschaftsunternehmer", resümiert Michl die vielfältigen Anforderungen dieser anspruchsvollen Karriereoption.